BERLIN/ CALW/ FREUDENSTADT. Die letzte Woche vom Bundestag beschlossenen Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen der Corona-Krise auf Wirtschaft und Arbeit zeigen schon erste Wirkungen. Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken führt in diesen Tagen Telefonkonferenzen mit verschiedenen Institutionen und Einrichtungen in ihrem Wahlkreis, um sich einen Überblick über die aktuelle Lage zu verschaffen. So auch mit Vertretern von Sozialeinrichtungen. Am Gespräch nahmen teil: Ulrich Hoffmann, Vorsitzender des Arbeiterwohlfahrt-Kreisverbands Freudenstadt (AWO), Andreas Reichstein, Abteilungsleitung der Erlacher Höhe Calw-Nagold, Ulrike Sommer, Regionalleitung der Caritas Schwarzwald-Gäu und Horst Vahsen, Bezirks- und Landesschriftführer des Sozialverbands VdK.
Zentrale Fragen waren dabei, mit welchen Herausforderungen sich die Sozialeinrichtungen konfrontiert sehen, wie die Maßnahmen der Bundesregierung – etwa das angepasste Kurzarbeitergeld oder die Erleichterungen bei der Grundsicherung – in der Praxis ankommen und welche Probleme zum Beispiel im Zusammenhang mit Schul- und Kitaschließungen auftreten.
So machte Horst Vahsen von der VdK auf die schwierige Situation in Pflegeeinrichtungen aufmerksam, für die aktuell ein Besuchsverbot gilt. „Für viele Bewohner, aber auch für die Angehörigen ist der regelmäßige Besuch essenziell“, so Vahsen. Zudem regte er an, die Notbetreuung in Kitas und Schulen für Eltern in systemrelevanten Berufen großzügig zu handhaben und beispielsweise auch Alleinerziehende fallweise zu berücksichtigen.
Ulrich Hoffmann von der AWO hatte großes Lob für die Kommunen übrig. „Zu Beginn der Krise gab es eine große Unsicherheit bei uns wegen der Lohnfortzahlung der Mitarbeiter. Die Kommunen konnten jedoch schnell zusagen, dass die Kostenbeiträge weiterbezahlt werden, auch weil sie von den beschlossenen Maßnahmen im Bundestag unterstützt wurden“, so Hoffmann.
Auch Andreas Reichstein von der Erlacher Höhe begrüßte die schnellen Maßnahmen der Bundesregierung, aber auch des Landes Baden-Württemberg bei der Sicherung der betrieblichen Strukturen und der Unterstützung von Menschen in Not. Er warnte, dass die vielen Anträge auf Grundsicherung ebenso wie auf Kurzarbeit zu Engpässen bei Agentur und Job-Centern führen werde, sowohl personell als auch technisch in Form von Server-Überlastungen. Saskia Esken merkte dazu an, die anfängliche Überlastung der Server sei zwar ärgerlich, aber auch ein gutes Zeichen. „Offenbar wissen die Leuten von den Unterstützungsangeboten und wollen sie nutzen. Das ist doch gut.“ Bei der Serverleistung sei schnell nachgebessert worden. Reichstein problematisierte auch, dass Antragsteller nicht mehr persönlich beim Job-Center vorstellig werden könnten. „Das führt bei Menschen, die Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen benötigen, zu großen Problemen“, führte Reichstein aus.
Die Calwer Bundestagsabgeordnete betonte, dass jetzt alle gefordert seien und damit auch die Sozialeinrichtungen, damit die Maßnahmen und Angebote bekannt werden. „Wir müssen informieren, auch zielgerichtet, am besten mehrsprachig. Wir müssen die Leute unterstützen beim Ausfüllen der Anträge. Viele sind zurückhaltend und schämen sich, notfalls und in Krisenzeiten auch auf staatliche Leistungen zurückzugreifen. Dafür sind die Leistungen aber doch da“, so Esken.
Ulrike Sommer von der Caritas machte darauf aufmerksam, dass Schutzausrüstung bei Mitarbeitern sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich knapp sei und plädierte dafür, dass Mitarbeiter von Sozialeinrichtungen bei Verdachtsmomenten schneller auf das Corona-Virus getestet werden sollten. Sie sprach auch Probleme beim digitalen Lernen an, da jetzt viele Schulen auf digitale Lösungen umsteigen würden. „Manche Kinder haben zu Hause schlicht nicht die technischen Voraussetzungen, um bei der digitalen Schule mitzumachen, da fehlt etwa am schnellen Internet oder einem Drucker.“ Laut Esken werden in Krisen Mängel sichtbar, die schon zuvor bestanden hätten. „Die digitale Spaltung hat das Zeug, die soziale Spaltung noch zu verschärfen. Da müssen wir gegensteuern. Es geht hier auch um Nachteile bei der Kompetenz im Umgang mit den digitalen Medien, nicht nur um technische Ausstattung“, so Esken.
Hoffmann sprach auch die Situation bei Tafeln und Lebensmittelläden an: „Tafeln und Läden sind noch gut versorgt, aber es kommen weniger Menschen, weil sie Angst haben, sich anzustecken. Für Menschen mit niedrigem Einkommen wird es also insgesamt schwieriger.“ Man könne zwar durch Lieferdienste das Problem lösen, das führe aber wiederum zu Mehrkosten bei den Sozialeinrichtungen.
Am Ende des Gesprächs erinnerte Esken an den agilen Charakter der Maßnahmen: „Wir haben dieses Maßnahmenpaket innerhalb kürzester Zeit geschnürt. Jetzt müssen wir beobachten, wie es funktioniert, wo es Probleme und wo es Lücken gibt. Und dann wollen und werden wir an der einen oder anderen Stelle nachbessern. Ich will mich dafür einsetzen, dass die Menschen, die schon vor der Corona-Krise in einer sozialen Notlage waren, jetzt nicht aus dem Fokus geraten.“ Hier sei die Zusammenarbeit mit und zwischen den Sozialverbänden besonders wichtig. Denn klar sei auch, dass es Solidarität und Verantwortungsgefühl und nicht zuletzt die Zuversicht möglichst vieler Menschen braucht, damit man die aktuelle Herausforderung bestehen kann. Die SPD-Parteivorsitzende betonte abschließend: „Wir werden gemeinsam diese Pandemie und ihre Folgen bewältigen. Und ich erwarte, dass wir viel daraus lernen und die nötigen Schlüsse für die Zukunft ziehen werden“.
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