Digitalisierung sichert Bildungsstandort

Vier Schulleiter diskutierten mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken und SPD-Kreistagsfraktionschef Reiner Ullrich über die Herausforderungen der Berufsschulen im Wettbewerb zu bestehen.

Peter Stumpp (Heinrich-Schickhardt-Schule, von links), Jochen Lindner (Gewerbliche und Hauswirtschaftliche Schule Horb), SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender Reiner Ullrich, Bundestagsabgeordnete Saskia Esken, Armin Wüstner (Eduard-Spranger-Schule) und Klau

Freudenstadt. Sie sind der stille Motor des Arbeitsmarkts im ländlichen Raum, Einrichtungen, die junge Menschen fit für eine sich rasant ändernde Arbeitswelt machen. Sie geben ihren Schülern etwas, das sie mit der Region verbindet. Die vier Berufsschulen des Kreises Freudenstadt sind gut aufgestellt, das bestätigten alle vier Schulleiter, die jüngst um den Konferenztisch in der Heinrich-Schickardt-Schule versammelt saßen. Dennoch müssen alle vier Männer große Probleme bewältigen, um ihre Schulen wettbewerbsfähig zu halten. Zu schaffen macht ihnen dabei auch ein Beschluss des Freudenstädter Kreistags, wie im Gespräch mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Saskia Esken und dem Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Reiner Ullrich, klar wurde.

Die digitale Revolution stellt Berufsschulen vor gewaltige Herausforderungen. Klassische Berufe verändern sich in immer engerem Takt. Prozesse werden automatisiert, neue Software übernimmt, wo früher der Mensch aktiv werden musste. "Digitaler Wandel ist mehr als der Einsatz digitaler Technologie im Unterricht. Das Leben und Arbeiten wandelt sich, da können Lehren und Lernen nicht stehen bleiben. Schulen müssen sich also nicht nur an die Medienentwicklung, sondern an die Schulentwicklung machen und dabei alle Beteiligten einbeziehen", betont die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken.

Dabei setzt die Situation auf dem Arbeitsmarkt in der Region die Berufsschulen zusätzlich unter Druck. Nicht nur Handwerk, Gastronomie und Pflege klagen über Bewerbermangel. Auch die Situation der zahlreichen mittelständischen Weltmarktführer, der "Hidden Champions", macht deutlich, dass der Fach- und Arbeitskräftemangel kein Mythos ist. "Moderne Berufe wie Mechatroniker oder Automatisierungstechniker boomen", erklärt Peter Stumpp, Leiter der Heinrich-Schickardt-Schule. Hier lernen 1300 Schüler im Dualen System, hauptsächlich für Berufe im industriellen Bereich. Doch Stumpp hat ein Problem: Berufsvorbereitung ohne Digital-Kompetenzen und -ausstattung wird zunehmend unmöglich. Die HSS hat diesen Umstand schon früh erkannt und bereits eine eigene Tabletklasse etabliert. Doch die Akquise von geeignetem Lehrpersonal stellt sich als keine leichte Aufgabe heraus. Es gelingt nur schwer, Fachleute zu finden, die bereit sind, im Kreis Freudenstadt zu arbeiten. "Im vergangenen Jahr haben wir dreimal ausgeschrieben, doch es hat nicht geklappt", erklärt Stumpp. Die meisten Bewerber für die Stelle im Fach Informatik hätten Schulen in größeren Städten vorgezogen. "Wir könnten aber definitiv mehr leisten", betont der Schulleiter, doch es fehle das Personal.

Auch Klaus Schierle, Schulleiter an der Luise-Büchner-Schule, kennt das Problem. Firmen in der Region suchen dringend Fachpersonal, aber auch die Schülerzahlen gehen teilweise zurück. Weniger nachgefragt werden Ausbildungsberufe in dem gerade für Freudenstadt so wichtigen Hotel- und Gaststättengewerbe.

Für alle vier Schulleiter, Peter Stumpp (Heinrich-Schickhardt-Schule), Klaus Schierle (Luise-Büchner Schule), Armin Wüstner (Eduard-Spranger-Schule) und Jochen Lindner (Gewerbliche und Hauswirtschaftliche Schule Horb) stellt daher die Ausstattung ihrer Schulen ein zentraler Bestandteil der Wettbewerbsfähigkeit dar. Die Rechnung ist einfach: Junge Fachlehrer werden sich im Zweifel für eine Schule entscheiden, bei der sie in ihrer Lehre auf eine zukunftsfähige technische Ausstattung bauen können. Doch davon sind die Schulen im Kreis Freudenstadt noch weit entfernt. An zwei der vier Schulen, der Eduard-Spranger-Schule und der Luise-Büchner-Schule gibt es beispielsweise noch kein freies W-Lan, das für einen zeitgemäßen Unterricht heute zur Voraussetzung geworden ist.

In diese Gemengelage platzte gegen Ende des vergangenen Jahres ein Beschluss des Freudenstädter Kreistags, der bei jedem der Anwesenden am Konferenztisch der HSS Unverständnis hervorrief. 150000 Euro sollen für das laufende Jahr aus dem Etat der Berufsschulen gestrichen werden. In einer Zeit, in der Investitionen in diese Bildungseinrichtungen bitter nötig wären. "Ein absurder Beschluss", ärgert sich SPD-Kreisrat Reiner Ullrich, der mit seiner Fraktion vehement gegen die Kürzung kämpfte und bereits im Gespräch mit dem ehemaligen Kultusminister Andreas Stoch ist, der seine Unterstützung zusagte. Ullrich weiter: "Sie wollen Lehrer werben, aber wie denn, wenn wir nicht mit gutausgestatteten Schulen ins Rennen gehen können."

Armin Wüstner machte außerdem deutlich, dass die Berufsschulen auch dafür sorgen, dass junge Menschen eher in der Region bleiben. Jemand der hier ausgebildet wird, der schon Kontakt mit Unternehmen hatte, würde eher seinen Lebensmittelpunkt in den Kreis Freudenstadt verlegen. Bei Schülern mit Abitur, die eher ein Studium in großen Städten antreten, wäre diese Verbundenheit zur Region nicht vorhanden.

Saskia Esken machte den anwesenden Schulleitern Hoffnung, dass der aktuell diskutierte Koalitionsvertrag auch eine Chance für die Berufsschulen darstellen würde. "Das soll für den Schulträger aber kein Anlass sein, sich zurückzulehnen, im Gegenteil", betont die Digital-Politikerin.

Im Falle der Heinrich-Schickardt-Schule konnte mittlerweile ein Sponsor für die Tabletklasse gefunden werden. 7000 Euro werden so allein von der Industrie finanziert. Trotzdem erklärt Schulleiter Stumpp: "Grundsätzlich kann ich den Kreistagsbeschluss nicht nachvollziehen, auch wenn wir die demokratische Entscheidung selbstverständlich respektieren" Die Möglichkeit, bei der Industrie um Unterstützung zu bitten, gibt es an der Luise Büchner Schule nicht.

Armin Wüstner verdeutlichte die Wettbewerbssituation, in der sich die Schulen im Kreis befinden. Als Beispiel nannte er die Stadt Balingen, die in den vergangenen Jahren massiv in die Infrastruktur ihrer Schulen investiert hat. Das mache einen Schulstandort attraktiv für Lehrer und Schüler, so Wüstner. Er glaube nicht, dass bei voller Kenntnis der Situation, die Kreisräte zufrieden mit ihrer Entscheidung sein könnten.

Wüstner sieht nur eine gute Seite an dem Beschluss des Kreistags: "Jetzt wird über die Situation geredet". Stumpp erklärte, dass seine Schule derzeit an einem Medienentwicklungskonzept arbeite. Die vier Schulleiter am Tisch waren sich einig, dass ein derartiges Konzept auch von den anderen Schulen mitausgearbeitet werden könnte. Esken bot direkt ihre Unterstützung als Fachpolitikerin an, während Ullrich weiter dafür kämpfen will, dass bei der Budgetkürzung für Berufsschulen noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.

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