Gewaltschutz an erster Stelle

Die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken besuchte gemeinsam mit der Europaabgeordneten Maria Noichl das Frauenhaus in Calw, um mit den Mitarbeiterinnen über die Notwendigkeit besserer Schutzkonzepte, Täterverantwortung und präventive Maßnahmen zu sprechen.

Saskia Esken, MdB (mitte) und Maria Noichl, MdEP (links) im Gespräch mit Mitarbeiterinnen des Frauenhauses (Foto: Ansgar Wörner, Büro Saskia Esken, MdB)

Calw. Gewalt gegen Frauen bleibt eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen. Neben akuten Schutzmaßnahmen braucht es langfristige politische Lösungen, um Frauen besser zu schützen und Gewalt präventiv zu verhindern. Im Rahmen eines offiziellen Besuchs im Frauenhaus Calw verschafften sich Saskia Esken, Bundestagsabgeordnete für Calw und Freudenstadt sowie SPD-Parteivorsitzende und die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl einen direkten Einblick in die Situation vor Ort. Während eines Rundgangs und eines intensiven Austauschs mit den Mitarbeitenden wurden die drängendsten Probleme und politische Lösungen diskutiert.

Ein zentrales Thema des Besuchs war die Frage, wie bestehende Schutzmaßnahmen für gewaltbetroffene Frauen verbessert werden können. In Deutschland sind Frauenhäuser oft überfüllt und ihre Finanzierung nicht flächendeckend gesichert. Einen bedeutenden Fortschritt stellt das kürzlich im Deutschen Bundestag verabschiedete Gewalthilfegesetz dar, das erstmals einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für betroffene Frauen und Kinder schafft. Damit soll die finanzielle Grundlage für Frauenhäuser und Beratungsstellen langfristig gesichert und ihr Zugang erleichtert werden.

„Dieser gesetzliche Rahmen ist ein wichtiger Schritt, aber es bleibt noch viel zu tun – insbesondere in der praktischen Umsetzung“, betonte Esken. Denn auch wenn Frauenhäuser Schutz bieten, bleibt die langfristige Perspektive für viele Betroffene ungewiss.

Besonders problematisch sei der fehlende Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, so die Mitarbeitenden des Frauenhauses. Viele Vermieter*innen lehnten Frauen ab, wenn sie erfahren, dass diese in einem Frauenhaus untergebracht waren. Ohne sichere Wohnperspektive bleibt der Weg aus der Gewaltspirale für viele erschwert, da sie in Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt werden. Hier müsse die Politik dringend ansetzen, forderten die Beteiligten des Austauschs.

Ein Beispiel für eine gelungene Förderung zeigt sich aber direkt in Calw: Dank des Bundesprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ konnte das Frauenhaus nicht nur gesichert, sondern auch weiter ausgebaut werden. Die Bundesförderung ermöglichte den Kauf des Hauses sowie eine dringend benötigte Sanierung, um langfristig Schutz und Unterstützung für betroffene Frauen und Kinder zu gewährleisten. Esken begleitete diesen Prozess maßgeblich und unterstützte das Team dabei, die Bundesförderung in Anspruch zu nehmen und den Antrag erfolgreich umzusetzen.

„Der Bund stellt aktuell wichtige Förderprogramme bereit, um Schutzräume für Frauen auszubauen – doch viele Einrichtungen wissen gar nicht, was ihnen zusteht oder wie sie die Mittel beantragen können“, so Esken. Hier brauche es gezielte Unterstützung, damit vorhandene Gelder auch dort ankommen, wo sie dringend benötigt werden. Politik müsse nicht nur finanzielle Mittel bereitstellen, sondern auch aktiv dazu beitragen, dass sie genutzt werden können.

Wie Täter konsequenter zur Verantwortung gezogen werden können, war ein weiterer wichtiger Aspekt des gemeinsamen Austauschs. Denn die Täterverantwortung hat große Bedeutung für die Frauen und deren weiteres Leben. So sind es in Deutschland oft die Frauen, die flüchten müssen, während Täter in der gemeinsamen Wohnung verbleiben können.

Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass es auch anders geht: In Spanien beispielsweise müssen die Täter die Wohnung verlassen, nicht die Opfer. In Deutschland kann die Polizei im Rahmen des Platzverweisverfahrens zwar eine sofortige Wegweisung anordnen und Betroffene können per Gewaltschutzgesetz eine bis zu sechsmonatige Zuweisung der gemeinsamen Wohnung an sich und die Kinder beantragen. Doch ohne elektronische Aufenthaltsüberwachung und eine engere Opfer- und Täterarbeit bleibt der Schutz oft lückenhaft. Spanien setzt deshalb konsequent auf die elektronische Fußfessel für Gewalttäter, um Annäherungsverbote in Echtzeit zu überwachen.

„Diese Maßnahme hat sich als äußerst wirksam erwiesen“, berichteten die Teilnehmenden. Seit der Einführung elektronischer Überwachungssysteme für Gewalttäter ist die Zahl der Femizide in Spanien gesunken. Die Fußfessel ermöglicht es der Polizei, Verstöße gegen Annäherungsverbote in Echtzeit zu registrieren und sofort einzugreifen –eine effektive Maßnahme, die im Rahmen des neuen Gewalthilfeschutzgesetzes nun auch in Deutschland Anwendung finden soll.

Die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl ist Mitglied im Ausschuss für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter im Europäischen Parlament und Vorsitzende der SPD-FRAUEN, der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, deren Ziel die Gleichstellung von Frauen und Männern in Partei und Gesellschaft ist. Sie setzt sich seit Jahren für ein starkes europäisches Gewaltschutzrecht ein. Sie betonte die Notwendigkeit einer einheitlichen Herangehensweise: „Wir dürfen Gewaltschutz nicht als nationales Einzelthema behandeln – es braucht endlich eine europaweite Strategie, die klare Schutzmaßnahmen für Frauen in allen Mitgliedstaaten garantiert.“ Noichl fordert konsequentere Maßnahmen, darunter bessere grenzüberschreitende Strafverfolgung und eine stärkere Verpflichtung der Staaten, Schutzräume für Betroffene bereitzustellen.

Neben Schutzmaßnahmen und der Täterverfolgung darf auch die Prävention nicht vernachlässigt werden. „Jede verhinderte Gewalttat ist ein Erfolg“, brachte es eine Mitarbeiterin des Frauenhauses auf den Punkt. Besonders wichtig sei die Sensibilisierung junger Menschen, um Gewalt gar nicht erst entstehen zu lassen. Dazu gehöre eine frühzeitige Aufklärung über Themen wie Grenzüberschreitung, Einvernehmlichkeit und Respekt in Beziehungen – sowohl in Schulen als auch in der Jugendarbeit.

Zusätzlich erläuterten die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses einige Wünsche, welche von den Bewohnerinnen in einem pädagogischen Setting geäußert wurden. Darunter ein Ausbau von Selbstverteidigungskursen für alle Altersgruppen, eine bessere Beleuchtung und mehr Kameras an öffentlichen Orten sowie niedrigschwellige Anlaufstellen für Frauen, die erste Anzeichen von Gewalt erleben. Auch psychologische Unterstützung müsse bereits in frühen Phasen greifen – nicht nur für Betroffene, sondern auch für potenzielle Täter, um Gewaltkreisläufe frühzeitig zu durchbrechen.

„Der Schutz von Frauen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die entschlossenes politisches Handeln erfordert – auf nationaler und europäischer Ebene. Das Gewalthilfegesetz markiert einen Fortschritt, doch ohne ausreichende finanzielle Mittel und strukturelle Reformen bleiben Schutzmaßnahmen unzureichend. Da müssen wir dringend dranbleiben“, fasste Esken zusammen. Der Besuch setzte damit nicht nur ein Zeichen für die Wichtigkeit von Frauenhäusern, sondern auch für die Notwendigkeit, Gewaltprävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe konsequent weiterzuentwickeln.

 

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