Berufsschulen bieten den Schülern Zeit zum „Nachreifen“

Die SPD-Bundestagsabgeordneten Rainer Spiering und Saskia Esken haben die Gewerb-liche und Hauswirtschaftliche Schule Horb besucht. Dort machten sie sich ein Bild von der aktuellen Situation an Berufsschulen.

HORB. Die Berufsbildenden Schulen gehören nach Einschätzung des SPD-Bundestagsabgeordneten Rainer Spiering zu den besonders wichtigen Bausteinen in der deutschen Bildungslandschaft. Das hat der Berichterstatter für berufliche Bildung der SPD-Bundestagfraktion am Dienstag bei einem Besuch der Gewerblichen und Hauswirtschaftlichen Schule Horb deutlich gemacht. Auf Einladung seiner Abgeordnetenkollegin Saskia Esken war der niedersächsische SPD-Abgeordnete Spiering zu einem Besuch nach Horb gekommen, um sich dort im Dialog mit Schulleiter Jochen Lindner und Henning Jakobeit, dem Abteilungsleiter Sekundarstufe 1 und Berufsschule, über die Situation an baden-württembergischen Berufsschulen zu informieren.

„Berufsschulen sind aus ihrer tiefen Tradition der Förderung des Einzelnen heraus schon immer Schulen für alle, also Gemeinschaftsschulen. Auch Schüler, die in anderen Schulen keinen Erfolg haben, erhalten hier die Möglichkeit, eine Basis für ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben zu legen“, führte der Bundestagsabgeordnete aus dem Osnabrücker Land aus. Oder, wie es Jochen Lindner formulierte: Schüler erhalten in den beruflichen Bildungseinrichtungen Raum und Zeit zum „Nachreifen“.

Esken hatte ihren Kollegen aus dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung eingeladen, die beruflichen Schulen in Horb in Begleitung der Horber SPD-Politikerin Viviana Weschenmoser zu besuchen, um sich gemeinsam ein Bild davon zu machen, wie der Alltag in der Bildungseinrichtung mit aktuell 830 Schülerinnen und Schülern sowie einem 70-köpfigen Lehrerkollegium aussieht. Schließlich werden dort alle Ausbildungswege angeboten; vor drei Jahren wurde zudem ein Technisches Gymnasium eingerichtet, das sich gut entwickelt hat.

„Es ist gut und richtig, dass junge Menschen heute eine möglichst gute Schulbildung anstreben, und wenn sie dann - etwas später - doch noch in die duale Ausbildung gehen, dann stehen ihnen alle Wege offen“, betonte Saskia Esken. Die Ausbildungsbetriebe, die heute über fehlende Bewerber klagten, so die Abgeordnete, müssten sich in Kooperation mit allen allgemeinbildenden Schultypen frühzeitig um die jungen Leute bemühen und ihnen die unterschiedlichen Karrierewege des dualen Ausbildungssystems aufzeigen. „Da braucht es eine beharrliche Informations- und Überzeugungsarbeit, auch durch junge Mitarbeiter, die diese Wege gegangen sind und als Vorbild fungieren können. Eine solche Arbeit bewirkt zehnmal mehr als jedes Lamento über einen angeblichen Akademisierungswahn, den es so gar nicht gibt.“ Die beruflichen Schulen informieren daher bereits zum Ende der vierten Klasse über die Möglichkeiten, die es auf dem Weg in den Beruf gibt – „mit zunehmendem Erfolg“, wie Schulleiter Lindner berichtete.

Der aktuelle Fachkräftemangel, der den Unternehmen Sorgen bereitet, hat laut Spiering für die jungen Leute Vorteile: „Wo der Marktdruck hoch ist, da bekommen auch Schüler und Schülerinnen ohne Spitzennoten eine Chance zur Ausbildung.“ Der Notenschnitt sei für eine Prognose der Entwicklung und Leistungsfähigkeit eines jungen Menschen ohnehin nur bedingt aussagekräftig. Auch im Kreis Freudenstadt gibt es laut Lindner Betriebe, die sich dessen bewusst sind und ganz gezielte Bewerbungsrunden für Hauptschulabsolventen eingeführt haben. 

 Dass es auch wichtig ist, an den gängigen Bildern von Frauen- und Männerberufen zu rütteln, davon waren alle Gesprächspartner überzeugt. „Zu häufig stehen bei der Wahl des Ausbildungsberufs althergebrachte Klischees und Rollenbilder im Vordergrund, von denen wir uns auch in den Familien nur langsam freimachen“, so Saskia Esken. Frauen sind nach wie vor kaum in den klassischen Männerberufen zu finden und das, obwohl man in den gewerblich-technischen Berufen heute kaum noch Muskelkraft benötige, wie Rainer Spiering unterstrich. Dies bestätigte auch Schulleiter Lindner: „Die jungen Frauen sind oft die besseren Schüler“ und würden auch in den beruflichen Schulen schnell beste Leistungen erbringen und eine Führungsrolle einnehmen, mit positiven Auswirkungen auf die gesamte Klasse. 

Spiering, der vor seinem Einzug in den Bundestag selbst lange Jahre als Berufsschullehrer tätig war, macht sich für eine bessere Förderung der beruflichen Schulen stark. Und er will auch erreichen, dass die Berufspädagogik, die in den vergangenen Jahrzehnten an den Hochschulen und Universitäten vernachlässigt worden sei, wieder mehr an Bedeutung gewinne. Daher setzt er sich für eine Erneuerung der universitären Ausbildung von Berufsschullehrern in den Bereichen Methodik, Didaktik und Berufspädagogik ein. 

Saskia Esken, Berichterstatterin für digitale Bildung ihrer Fraktion, freute sich zu hören, dass in den beruflichen Schulen in Horb als ein Nebeneffekt der notwendigen Sanierungsarbeiten künftig auch verstärkt digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden können. Dass die Schule bereits heute gut mit Maschinen und Technik ausgestattet ist, davon konnten die Besucher sich bei einem Rundgang durch die Bildungseinrichtung ein Bild machen.

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