Calw. "Mit dem aktuellen Koalitionsvertrag haben wir das Thema endlich in die erste Reihe geholt", erklärte die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken kürzlich im Calwer Landratsamt. Nur wenige Stühle im Saal blieben leer. Vertreter des Krankenhauspersonals, der Krankenkassen, zahlreiche Ärzte aus dem gesamten Kreis Calw waren gekommen, um über Gesundheitspolitik im ländlichen Raum zu sprechen. Im Fokus standen Fragen wie: Welche Auswirkungen hat das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz auf die kommunalen Krankenhäuser? Wie kann ausreichend und gutes Personal im Pflegebereich gewonnen werden? Wie sieht eine gute Gesundheitsversorgung der Zukunft aus?
"Mit künstlicher Intelligenz und DSGVO kenne ich mich besser aus", erklärte Esken mit einem Lächeln in ihrer Begrüßung. Darum habe sie sich für die Beantwortung dieser Fragen Verstärkung in Person ihrer Kollegin Hilde Mattheis geholt. Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Ulm gilt als eine der versiertesten Gesundheitsexpertinnen der Sozialdemokraten. Landrat Helmut Riegger rundete mit einer Präsentation über den aktuellen Stand des Medizinkonzepts 2020 das Programm ab.
Im Zentrum der Diskussion stand ein Gesetz, das erst Anfang November vom Bundestag verabschiedet wurde. Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz bezeichnete der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach jüngst als die "wichtigste und beste Reform in der Pflege seit 15 Jahren". Im Zentrum steht die Herauslösung von Pflegeleistungen aus dem "Wirtschaftsbetrieb" im Gesundheitswesen. Dieser wird abgebildet durch die sogenannten Fallpauschalen, mit denen die Krankenkassen Gesundheitsleistungen vergüten. Gleichzeitig sollen Einrichtungen verpflichtet werden, bestimmte Grenzen an Pflegepersonal nicht zu unterschreiten. Das Gesetz könne aber noch mehr: "Wir werden sämtliche Tarifsteigerungen voll finanzieren. Das ist ein richtiger Schritt", erklärte Hilde Mattheis in ihrem Vortrag. So sollen die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals verbessert werden, da die Pflege dem wirtschaftlichen Druck im Gesundheitswesen entzogen wird.
Neben den Verbesserungen der Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals müsse auch am Ruf der Pflegeberufe gearbeitet werden. "Am Küchentisch, wenn junge Menschen über die Ausbildung nachdenken, muss erzählt werden, wie erfüllend die Arbeit in der Pflege sein kann. Es ist aber auch wichtig, dass der Verdienst in der Pflege reicht, um seine Familie zu ernähren und dass man in der Pflege Beruf und Familie vereinbaren kann", so Mattheis.
Lob gab es für Landrat Helmut Riegger. "Wir brauchen mehr sektorenübergreifende Planung. Es ist wichtig, dass sich Kommunen und Landkreise mehr in die Gesundheitsplanung einbringen", betonte die Ulmer Gesundheitsexpertin. Calw sei dafür ein gutes Beispiel. Mattheis sprach sich dafür aus, gerade bei der Krankenhausplanung die Kommunen vor Ort mit mehr Kompetenzen auszustatten.
Worte, die Landrat Riegger mit Sicherheit gerne hörte. Er stellte den Anwesenden in einer Präsentation den aktuellen Stand des nach seinen Worten "größten Infrastruktur-Projekts im Kreis Calw" vor. Für den Neubau in Calw sind 60 Millionen Euro veranschlagt, die Sanierung und Erweiterung in Nagold kommt wohl auf 85 Millionen. Die Förderquoten der beiden Bauprojekte liegen laut Landrat nach aktuellem Verhandlungsstand etwa bei 40 bis 45 Prozent für Calw und bei 55 bis 60 Prozent für Nagold. Dazu kommen 40 Millionen Euro, die externe Partner in den Gesundheitscampus in Calw investieren - ein beispielgebendes Konzept der sektorenübergreifenden Gesundheitsversorgung. Nachdem Esken sich schon in ihrem Eingangs-Plädoyer leidenschaftlich für das "3 Plus"-Konzept ausgesprochen hatte, legte Riegger erneut dar, welche Vorteile und Chancen die aktuelle Planung für den gesamten Kreis Calw in sich bergen. Auch in finanzieller Hinsicht zeichne sich ein Aufwärtstrend ab: "Ich habe heute Mittag die aktuellen Zahlen gesehen. Wenn wir Zins und Abschreibung herausnehmen, haben wir gerade einmal ein bis zwei Millionen Euro Verlust im operativen Ergebnis", erklärte Riegger.
Der Landrat machte außerdem deutlich, dass die beiden Krankenhäuser helfen könnten, dem Problem des Ärztemangels beizukommen. "Viele niedergelassene Ärzte kommen aus den Krankenhäusern. Da muss man nicht mit "Suche Arzt" - Schildern auf Ärztekongressen herummarschieren", feixte Riegger. "In Stuttgart oder Tübingen kann man sich vor Ärzten kaum retten", so Riegger weiter, "wir müssen endlich dafür sorgen, dass wir auf dem Land und in den Städten gleichwertige Lebensverhältnisse haben."
In der anschließenden Diskussion machte Hartmut Keller, Geschäftsführer der AOK Nordschwarzwald den Bundespolitikerinnen Mut: "Auch wenn die Verhandlungen im Detail noch knifflig werden - wir werden das hinbekommen", sagte er im Hinblick auf die gravierenden Änderungen durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. Keller machte außerdem Werbung für den Gesundheitscampus, der in Kooperation mit der AOK gebaut wird: "Da wird die Medizin der Zukunft praktiziert!".
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