#freeBoehmi - Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit

Die „Causa Böhmermann“ schlägt immer höhere Wellen. Nun hat die Türkei durch eine Verbalnote die Strafverfolgung Böhmermanns wegen seines „Schmähgedichts“ auf Präsident Erdogan nach Paragraph 103 Strafgesetzbuch als „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ gefordert.

Die Bundesregierung sollte diese unsägliche Forderung schnell und deutlich zurückweisen, den entsprechenden Straftatbestand endlich abschaffen und dadurch deutlich machen, dass es beim Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit keine Ausnahmen für scheinbar beleidigte Majestäten gibt.

Insbesondere in der aktuellen Situation könnte der Eindruck entstehen, als würde die Bundesregierung der Verteidigung der Medien- und Kunstfreiheit weniger Raum einräumen als den Interessen des türkischen Präsidenten, und zwar vor dem Hintergrund des aktuellen Flüchtlingsabkommens mit der Türkei. Wie schon meine Parteikollegen Martin Dörmann und Lars Klingbeil in einer Pressemitteilung bekundet haben, darf auf keinen Fall der falsche Anschein entstehen, „Satire- und Pressefreiheit in Deutschland könnten relativiert werden, noch, dass sich die Bundesregierung erpressbar gemacht hat. Die Bundesregierung muss deutlich machen, dass Grundrechte wie die Medien- und Kunstfreiheit nicht verhandelbar sind“.

Inhaltlich hat Jan Böhmermann seinen Beitrag selbst als Schmähkritik bezeichnet und damit eine Bewertung des Gedichts quasi vorweggenommen. Wer sich nicht nur das Gedicht, sondern auch den gesamten Kontext in Böhmermanns Sendung anschaut, weiß, dass er mit Mitteln der Satire deren Grenzen aufzeigen wollte. 

In Deutschland ist die Entscheidung über diese Grenzen, beispielsweise zum strafbewehrten Tatbestand der Beleidigung, nicht etwa Aufgabe der Politik, sondern der Gerichte.

Der Vorsitzende meiner SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte dazu: „Wir werden das Grundgesetz nicht für Herrn Erdogan ändern. Die deutsche Justiz ist und bleibt in ihren Entscheidungen unabhängig“. Die zuständige Staatsanwaltschaft wird also überprüfen, ob ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung nach Paragraph 185 Strafgesetzbuch einzuleiten ist.

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Kommentare

Kommentar von Hartmut Wolf |

Ich erwarte, dass die SPD diese elende Koalition verlässt! Bei der Böhmermann-Entscheidung gegen die Ermächtigung zu stimmen, wohl wissend dass man überstimmt wird, ist wohlfeil und armselig. Da erwarte ich härtere Reaktionen.
Die Partei hat in dieser Koalition nur an Ansehen verloren, was der deutliche Stimmenschwund beweist. Man muss wieder Rückgrat beweisen und zum Markenkern "sozial" zurückkehren. Nur in der Opposition kann ein Neustart gelingen. Dann wird es auch wieder etwas mit Stimmenzuwachs. Andernfalls tendiert man eher gegen 15%.

Antwort von Redakteur

Hallo Herr Wolf,

vielen Dank für Ihr Interesse und Ihren Diskussionsbeitrag!

Auch ich und mit mir meine KollegInnen in der SPD-Bundestagsfraktion halten die Entscheidung der Bundeskanzlerin für eine Strafverfolgung von Jan Böhmermann nach Paragraph 103 des Strafgesetzbuches („Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“) für falsch. Bei der Abwägung von Persönlichkeitsschutz und der Freiheit von Meinung und Kunst darf es, wie bereits von mir beschrieben, keine Ausnahmen für "beleidigte Majestäten" geben. Diese Grundhaltung der SPD in der Koalition wird von der SPD-Fraktion im Bundestag geteilt und öffentlich auch vertreten! Die beiden zuständigen SPD-Minister Steinmeier und Maas haben eben dies getan: klar Stellung bezogen und gegen die Strafverfolgung gestimmt. Das Strafverlangen der türkischen Regierung hat in Deutschland eine längst überfällige Diskussion über die Abschaffung des genannten Straftatbestandes ausgelöst. Strafverfolgung wegen „Majestätsbeleidigung“ passt nicht in unsere moderne Demokratie. Die SPD-Bundestagsfraktion will den § 103 daher mit sofortiger Wirkung abschaffen, und durch das Prinzip der Günstigerstellung würde das auch im Fall Böhmermann noch wirksam werden. Die Unionsfraktion und ihre Regierungsmitglieder wollen das jedoch bis ins Jahr 2018 verzögern. In der vergangenen Woche haben wir einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt und hoffen, den Widerstand aus der Union zu überwinden. Das Statement unseres Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann dazu finden Sie hier: http://www.spdfraktion.de/presse/videos/paragraph-majestaetsbeleidigung-gehoert-abgeschafft

Zu Ihrer Anregung, dass die SPD die „elende Koalition“ mit der CDU/CSU verlassen solle, kann ich Ihnen nur sagen, dass auch wir diesen Fluchtreflex von Zeit zu Zeit verspüren, dass wir uns aber andererseits in der Verantwortung sehen, die Politik in unserem Land zu gestalten. Die Arbeit mit der Union ist sicherlich nicht immer leicht und dennoch hat es die SPD geschafft in dieser Legislaturperiode viele wichtige Projekte auf den Weg zu bringen: Mindestlohn, doppelte Staatsbürgerschaft, Frauenquote, Mietpreisbremse, Verbesserungen im Klimaschutz u.v.m.: http://www.spdfraktion.de/system/files/documents/gesagt-getan-gerecht-halbzeitbilanz-2015-web.pdf Wir als Partei haben eine Verantwortung unseren Wähler gegenüber - und dieser wollen wir nachkommen und kommen ihr auch nach. Dass die SPD Rückgrat hat und erst recht in dieser Legislaturperiode für den Markenkern „sozial“ steht, beweist sich in der Fülle von Projekten, die wir für ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit auf den Weg gebracht und durchgesetzt haben. Vieles haben wir gegen teilweise starken Gegenwind im Bundestag durchgesetzt. Die SPD denkt und handelt sozial - dafür steht meine Fraktion und dafür stehe auch ich mit meiner Arbeit hier in Berlin und in meinem Wahlkreis ein.

Beste Grüße

Saskia Esken, MdB

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