„Kreative Inhalte müssen fair vergütet werden, aber das darf auch im Netz nicht zulasten von Freiheitsrechten gehen! Upload-Filter lehnen wir deshalb ab.“ So oder so ähnlich könnte die SPD das heute bei ihrem Konvent in Berlin beschließen. Aber worum geht es da eigentlich? Nicht um Kaffee jedenfalls.
Heute Nacht hatte ich einen verrückten Traum: Ich stand in einem Copy-Shop, um mein Flugblatt für die Demo gegen #Artikel13 der Europäischen Urheberrechtsrichtlinie zu vervielfältigen. Wie oft stehen da Leute am Straßenrand, die gar nicht wissen, worum es geht! Die wollte ich informieren. Ich lege also mein kreatives Schneide- und Klebewerk auf den Kopierer, gebe 200 als Anzahl der Kopien an und drücke auf Start. Der Kopierer scannt das Original ein, ich warte darauf, dass die Mechanik des Papiertransports anfängt zu brummen, doch erstmal passiert gar nichts. Ich will schon zum Counter gehen und mich beklagen, da kommt die Fehlermeldung: #Error13 - Copy denied.
What? Kopie abgelehnt? Der Copy-Shop-Mitarbeiter erklärte mir zerknirscht, in meinem Original sei wohl ein urheberrechtlich geschützter Inhalt erkannt worden, für den der Gerätehersteller keine Lizenzvereinbarung hat. Ja, er kann jetzt auch nicht erkennen, was an meinem Bastelwerk geschützt sein soll, aber da könne man nichts machen.
Verrückte Geschichte? Da hat mir mein Traum wohl eine Übersetzung von Upload-Filtern in die alte Welt geliefert. Was nämlich beim Kopiergerät völlig absurd klingt, soll nach den Ideen mancher in der digitalen Welt Wirklichkeit werden: Der Artikel 13 der EU-Urheberrechtsrichtlinie, wie sie am kommenden Dienstag im Europäischen Parlament zur Abstimmung steht, will digitale Plattformen zur Lizenzierung verpflichten und sie für die Uploads ihrer Nutzer haftbar machen. Plattformen könnten dieser Haftung nur entgehen, wenn sie Maßnahmen ergreifen, um Rechtsverstöße durch nicht-lizensierte Uploads zu verhindern.
Bisher ist es so geregelt, dass Plattformen wie Youtube u.a. dazu verpflichtet sind, illegale Inhalte zu entfernen, wenn sie Kenntnis davon bekamen (Notice & Takedown). Haftbar waren die Nutzer, die die kritischen Inhalte hochgeladen hatten.
Die jetzt vorgesehen Regelung sieht vor, dass digitale Plattformen mit allen Rechteinhabern weltweit Lizenz-Vereinbarungen treffen. Für die Fälle, wo das nicht gelingt – also eigentlich immer, weil „alle ziemlich viel ist – müssen sie durch „technische Maßnahmen“ verhindern, dass nicht lizensierte Inhalte hochgeladen werden. Bei der Masse der hochgeladenen Inhalte im Netz schaffen das auch ganz kleine Plattformen nur mit Upload-Filtern.
Das Problem mit Upload-Filtern ist, dass die zwar schon Künstliche Intelligenz enthalten, aber trotzdem nicht besonders klug sind. Jedenfalls nicht klug genug, um Ironie oder Beiwerk sicher zu erkennen oder Originale von Zitaten oder gar Parodien zu unterscheiden. Die ganze kreative Vielfalt im Netz lebt aber doch genau davon, Dinge aufzugreifen, zu zitieren, zu verfremden, neu zusammenzufügen … um solche Werke als urheberrechtlich erlaubt zu erkennen, braucht es menschliche Intelligenz. Deswegen haben wir ja auch so einen Spaß daran! Wenn all diese Kreativität aus dem Netz verschwindet, weil der Filter sagt: #Error13 – upload denied – dann wird die Welt um einiges ärmer sein, und die Meinungsfreiheit ist dahin!
Jetzt muss man natürlich einräumen, dass bei Facebook und Youtube aus den verschiedensten Gründen schon Upload-Filter im Einsatz sind, weil die Plattformen sich selbst dazu verpflichtet haben, das Raubkopieren ganzer Filme und Serien zu bekämpfen, aber auch die Verbreitung von terroristischer Propaganda. Daher wissen wir auch, dass die Filter nicht besonders gut funktionieren.
Dazu kommt: Weil die Plattformen mit Artikel13 für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden, ist zu befürchten, dass sie anders als bisher viel mehr blocken als nötig (overblocking). Die kleinen Plattformen können sich weder Lizenzvereinbarungen mit der halben Welt noch so ein Risiko nicht leisten, und auch mit der Entwicklung solcher Filter sind sie überfordert. Es soll eine Ausnahme für die ersten drei Jahre nach dem Start einer Plattform geben. Das ist nett, aber wer es dann nicht aus seiner Nische rausgeschafft hat, der ist raus.
Dazu kommt ein grundsätzliches Problem, weswegen wir auch davon sprechen, dass die Idee von #Artikel13 die Freiheit bedroht. Und da geht es um die rechtliche Verpflichtung aller zum Einsatz von Upload-Filtern im Unterschied zum freiwilligen Einsatz bei den großen Plattformen. Durch das Beispiel der staatlichen Anordnung, nach Urheberrechtsverletzungen zu filtern entsteht das Potenzial, auch nach anderen Inhalten zu suchen, die dem Staat nicht gefallen. Das beginnt beim Strafrecht (klar definiert), geht über die Bekämpfung von Terrorismus (schon nicht mehr so klar) und endet beim Filtern nach missliebigen Meinungen. Anders gesagt: Wir schaffen die Voraussetzungen und die Infrastruktur für Zensur.
Es gibt also eine Menge guter Gründe, #Artikel13 und damit die Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern abzulehnen.
Dass die Vergütung von Urhebern und Kreativen im Netz nicht so gut geregelt ist, steht aber außer Frage. Die „Umsonst-Kultur“, die man der Generation Internet gerne vorwirft, hat aber eher damit zu tun, dass bisher noch keine guten Regelungen für den optimalen Ausgleich der Interessen gefunden wurden. Oder etwa doch?
Es ist doch auch beim Kopieren auf Papier oder z.B. auf Tonträger nicht gewollt, dass jeder alles kopieren darf, und das umsonst. Weil meine Traumidee aber völlig abwegig ist, gibt es im Urheberrecht die Möglichkeit der Pauschalvergütung. Die sorgt dafür, dass Urheber und Kreative zu ihrem Recht kommen. Betreiber von Kopiergeräten bezahlen eine Geräteabgabe, die an die Urheber ausgeschüttet wird. So einfach, so pragmatisch, so schonend für Kreativität und Freiheitsrechte. Dazu muss das Notice & Takedown-Verfahren verbessert werden, und es braucht vernünftige Schranken für die Nutzung geschützter Werke z.B. im Unterricht.
Und obwohl diese Vorschläge auch für die Regulierung von Plattformen schon längst auf dem Tisch lagen, ist die Verpflichtung zu Lizenzierung und Upload-Filtern jetzt in Form von #Artikel13 in den Entwurf der Urheberrechtsrichtlinie gelangt.
Wie konnte es soweit kommen? Im Koalitionsvertrag hatte die große Koalition sich zur Stärkung der Urheberrechte bekannt, Upload-Filter zu ihrer Durchsetzung aber als unverhältnismäßig abgelehnt. Dementsprechend hat die zuständige Justizministerin Katarina Barley im Europäischen Rat dagegen gehalten. Neben anderen ist die französische Regierung aber sehr strikt für den Einsatz von Upload-Filtern. Kanzlerin Merkel hat selbst eingeräumt, dass sie dem französischen Präsidenten Macron im Paket mit anderen Verabredungen letztlich die Zusage der deutschen Regierung zu Artikel13 im Rat zugesagt hat. Als Kabinettsmitglied hat Barley diese Zusage dann entgegen ihrer Überzeugung eingehalten. Ich finde das beklagenswert, aber letztlich ist ihr angesichts der Richtlinienkompetenz der Kanzlerin nichts anderes übrig geblieben, wenn sie nicht zurücktreten wollte.
Immerhin gibt es auch in der Union nicht wenige, die die Upload-Filter ablehnen – sonst wäre der Satz im Koalitionsvertrag ja gar nicht zustande gekommen. Ihr jetzt vorgelegter Lösungsvorschlag kommt zu spät, und er kommt auf der falschen Ebene. Man hätte die Pauschalvergütung im vergangenen Sommer im EU-Parlament unterstützen können – nun Artikel13 zuzustimmen und das Schlimmste auf nationaler Ebene zu verhindern, macht keinen Sinn.
Die Spitzengremien der SPD schlagen den Delegierten des Konvents am 23.3. nun einen Beschluss vor, der die Haltung des Koalitionsvertrags bekräftigt und die Rechte der Urheber und Kreativen anerkennt, Upload-Filter zu ihrer Durchsetzung aber ablehnt.
Wir hoffen auf eine starke Mehrheit für diesen Beschluss, die dann auch als Appell an die Europa-Abgeordneten der SPD verstanden werden kann. Denn im Europäischen Parlament steht am 26.3.19 die Urheberrechts-Richtlinie zur Abstimmung an. Es bleibt jetzt nur noch zu hoffen, dass der Antrag, #Artikel13 zu streichen, eine Mehrheit findet.
Ich unterstütze deshalb auch ganz ausdrücklich die Demonstrationen, die für den 23.3.19 überall in Deutschland und auch in anderen Mitgliedsstaaten angekündigt sind und die gegen Upload-Filter protestieren. Hier rufen viele junge und manche nicht mehr ganz so junge Menschen: „Wir sind viele, wir sind laut, weil ihr uns die Freiheit klaut!“. Diese Demonstranten sind keine Bots, und sie stehen für mich nicht für irgendeine Umsonst-Kultur, sondern für Freiheit, Vielfalt und Kreativität im Netz!
Kommentare
Einen Kommentar schreiben