Erleichterung für viele Familien, Begrenzung statt endgültiger Abschaffung des Rechts

Das bedeutet der Kompromiss zum Familiennachzug angesichts einer klaren rechtskonservativen Mehrheit im Bundestag.

Wir stimmen heute im Bundestag darüber ab, die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär geschützte geflüchtete Menschen bis 31.7.18 zu verlängern. Ich möchte versuchen zu erklären, warum diese Abstimmung stattfindet und was sie bedeutet.

Anfang 2016 haben wir den Familiennachzug für subsidiär Geschützte unter dem Eindruck der hohen Flüchtlingszahlen von 2015 ausgesetzt. In der SPD-Fraktion haben wir uns die Zustimmung dazu abgerungen, weil uns von der Union versichert wurde, das beträfe nur ganz wenige Menschen. Wir wurden eines Besseren belehrt, und die Vorgehensweise des Innenministers in dieser Sache zahlt ein auf das Konto der Misstrauen bildenden Maßnahmen in der vergangenen großen Koalition.

Da wir diese Aussetzung auf zwei Jahre befristet haben, läuft sie nun Mitte März 2018 aus, und wenn wir nichts tun, dann tritt das Recht auf Familiennachzug für geflüchtete Menschen auch für solche, die nur subsidiären Schutz genießen, wieder in Kraft. So weit, so schön. Das wird die Union aber nicht geschehen lassen. In diesem Fall würde eine freifliegende rechtskonservative Mehrheit, wie sie derzeit im Bundestag besteht, die ersatzlose Abschaffung dieses Rechts beschließen. Ohne neue Regierungs- und Koalitionsbildung sind wir derzeit in einer Situation, wo solche freifliegenden Mehrheiten jederzeit gebildet werden können. Vielleicht würde man die Härtefallregelung beibehalten, die im vergangenen Jahr weniger als 100 Menschen zugutekam.

Dass die Union - insbesondere in Bayern, aber auch anderswo – den Familiennachzug lieber heute als morgen abschaffen würde, das widerspricht zwar ihrem zu jedem Anlass vorgetragenen Hohelied auf die Familie. Und ja, es diskreditiert das C im Parteinamen beider Schwesterparteien. An den Verlautbarungen insbesondere der CSU zur Begrenzung des Familiennachzugs und zu der sogenannten Integrationsbereitschaft unserer Gesellschaft wird aber deutlich, dass die Idee dieser rechtskonservativen Mehrheit kein Hirngespinst ist. Ohne mit der Wimper zu zucken, würde der Familiennachzug für subsidiär Geschützte von heute auf morgen abgeschafft.

Ja, es ist empörend, wie wir jetzt von der Union unter den Zugzwang gebracht werden, diese Woche zu entscheiden – mitten im Prozess der Koalitionsverhandlungen und noch lange vor unserer Mitgliederbefragung. Wir sollen eine Verlängerung der Aussetzung bis 31.7. beschließen, um dann – für den Fall einer Zustimmung unserer Mitglieder zu einer Koalition mit der Union – bis Anfang August eine neue Regelung zu erarbeiten. Deren Bedingungen verhandeln wir aktuell noch und dennoch sollten wir sie in groben Zügen schon in dem Beschluss darlegen: eine Deckelung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte auf 1000 Familienangehörige pro Monat plus einer noch nicht klar definierten Härtefallregelung.

Begründet wird dieser Zugzwang mit den Fristen einer notwendigen Beratung im Bundesrat, der einer Verkürzung der Fristen zustimmen könnte, aber nicht muss. Unsere Fraktionsspitze befürchtet, und wahrscheinlich zu Recht, dass die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung das nicht mittragen würden. Also steht eine Abstimmung in dieser Woche auf der Tagesordnung.

In der Sache sagt die SPD, und das stimmt natürlich: Mit der Regelung, die eine große Koalition ab August schaffen würde – und keine andere Mehrheit in diesem Bundestag würde das bewerkstelligen –, mit dieser Regelung könnten bis zum Ende der Legislatur im Jahr 2021 40.000 Menschen zu ihren Angehörigen nach Deutschland kommen. Wir könnten die Familien vieler Menschen mit subsidiärem Schutzstatus zusammenführen, und damit das Leben vieler Menschen und ihrer Angehörigen verbessern. Oder es laufen lassen und in Kauf nehmen, dass die Union lieber mit der AfD für eine Abschaffung des Familiennachzugs stimmt als das Ende der Aussetzung einfach geschehen zu lassen.

Nach reiflicher Überlegung, die ich hoffe hier dargelegt zu haben, werde ich der Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär geschützte geflüchtete Menschen bis 31.7.18 zustimmen.

Die Interpretation und Kommunikation des Vorhabens durch die Union und insbesondere der CSU ist natürlich eine Riesen-Schweinerei: Die feiern die Begrenzung der Zuwanderung, die Abschaffung des Familiennachzugs, die Aufrechnung von Kontingenten, ohne dass diese Fakten beschlossen wären. Und wieder mal stehen wir dem machtlos gegenüber. Denn auch wenn unsere Partei- und Fraktionsspitze jetzt laut und deutlich protestiert: Diese Kommunikation ist in der Welt und der Plan der CSU offensichtlich. Es geht ganz schlicht um Signale für das rechtsnationale und fremdenfeindliche Wählerpotenzial der AfD, das man in der bayrischen Landtagswahl wieder zur CSU holen will. Wer Böses denkt, sieht aber noch mehr: Der sieht Kräfte in der Union am Werk, die wollen, dass diese Koalitionsverhandlungen platzen, weil sie für die Zeit nach Merkel planen.

Die SPD tut gut daran, dieses schmutzige Spiel nicht mitzuspielen. Unser Parteitag hat einen Fahrplan beschlossen: Wir verhandeln jetzt diesen Koalitionsvertrag, und wir verhandeln hart … für sozialdemokratische Haltungen und Inhalte. Wenn etwas Sinnvolles dabei herauskommt, dann werden wir das den Mitgliedern der SPD vorlegen. So wie ich unsere Mitglieder kenne, werden sie kritisch diskutieren und dann entscheiden: Ob eine erneute große Koalition hinreichend Gutes bewirken kann für die Menschen in Deutschland und in Europa. Ob eine solche Koalition der Glaubwürdigkeit der SPD und ihrer Zustimmung in der Wählerschaft schadet oder nutzt. Und nicht zuletzt ob eine Regierungsbeteiligung oder die Opposition besser dazu geeignet sind, dass uns die dringend gebotene Erneuerung der SPD gelingt.

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