Ich kann das so nicht hinnehmen

Mein Beitrag zur Causa Maaßen

Die Entwicklungen rund um die Personalie von Hans-Georg Maaßen haben bereits jetzt das Ansehen des Bundesamts für Verfassungsschutz ebenso wie das Ansehen der Politik beschädigt. Es wäre ein fatales Signal, wenn - nach dem Willen von Horst Seehofer - der eine Beamte für grobe Verfehlungen belohnt wird, während der andere als Dank für seine gute Arbeit in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird. Sollte Herr Maaßen die Verantwortung für die Innere Sicherheit und die Cybersicherheit in Deutschland übertragen bekommen, dann hielte ich das obendrein für ein sicherheitspolitisches Desaster.

Ich kann diese Entwicklung insgesamt so nicht hinnehmen und werde in der SPD-Bundestagsfraktion dafür werben, dass wir unsere Zustimmung dazu verweigern. Es kann doch nicht notwendig sein, gleich mit dem Bruch der Koalition zu drohen, um Haltung zu zeigen und einer Entscheidung die Zustimmung zu verweigern, die drei Viertel der Bevölkerung als einen absoluten Skandal empfinden. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, zur Sacharbeit zurückzukehren und gute sozialdemokratische Politik für ein solidarisches Land zu machen mit dem Gute Kita-Gesetz, einem ganzen Paket für bezahlbaren Wohnraum und vielem anderen mehr, wenn wir dieses Problem aus dem Weg geräumt haben.

Zum Hintergrund: Schon bei seiner Berufung als Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) war Hans-Georg Maaßen nicht unumstritten. Er hatte als Beamter im Innenministerium versucht, die Wiedereinreise des zu Unrecht in Guantanamo festgehaltenen deutschen Staatsbürgers Murat Kurnaz zu verhindern. Als Präsident des BfV hat Herr Maaßen immer wieder durch Kompetenzüberschreitungen von sich reden gemacht. So hat er einem Journalisten, der vom BfV Akteneinsicht verlangt hat, diese Einsicht verweigert und deutlich gemacht, nötigenfalls werde er "dafür sorgen, dass das Bundesarchivgesetz geändert wird". Gesetze ändert in Deutschland aber nicht der Präsident des BfV, sondern die Legislative. Gegen die Journalisten von netzpolitik.org hat er eine Ermittlung wegen Landesverrats angestrengt, wegen deren Überzogenheit letztlich der Generalbundesanwalt Range gehen musste. Ich habe Herrn Maaßen selbst einige Wochen danach auf einem Podium sagen hören "Ich hätte diese Ermittlungen gerne weitergeführt". Ermittlungen führt in Deutschland - aus gutem Grund - aber nicht der Präsident des BfV, sondern die Exekutive.

Zuletzt haben viele meiner Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion nach den Berichten über seine ungewöhnlich engen Kontakte zu AfD-Vertretern Fragezeichen hinter die Eignung von Hans-Georg Maaßen als Präsident des BfV gesetzt oder zumindest die Frage gestellt, ob solche Berichte nicht das Vertrauen in die Behörde untergraben. Bestärkt wurden diese Fragezeichen durch Stimmen aus einzelnen Landesämtern für Verfassungsschutz, die keine Erkenntnisse über ihre Landes-AfD mehr an das Bundesamt weitergeben - mit der Begründung, man sei sich nicht sicher, ob diese dort vertraulich behandelt oder doch an die Partei durchgestochen werden würden.

Nach dem Tötungsdelikt in Chemnitz, das uns alle sehr betroffen und gleichzeitig besorgt gemacht hat, ist es zu Aufmärschen von gewaltbereiten Neo-Nazis gekommen, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren. Mich hat erschreckt, in welcher Windeseile diese Nazis in der Lage sind, eine große Zahl von Mitstreitern zu mobilisieren, die dann ein solches Bild abgeben. Mich hat aber auch erschreckt, wie viele Chemnitzer Bürgerinnen und Bürger sich diesen Demonstrationen angeschlossen haben, in denen Naziparolen wie "Ausländer raus", "Für jeden toten Deutschen ein toter Ausländer", "Wir sind die Adolf-Hitler-Hooligans" skandiert und der Hitlergruß gezeigt wurde. Aus diesen Demonstrationen heraus sind Menschen mit fremdem Aussehen, Journalisten und friedliche Gegendemonstranten bedroht, tätlich angegriffen und tatsächlich auch gejagt worden. Über diese Übergriffe gibt es zahlreiche Augenzeugenberichte von Journalisten und anderen, da braucht es keinen Videobeweis.

Nach meiner Auffassung wäre es die wichtige Aufgabe des BfV, sich mit diesen offenkundig manifesten rechtsradikalen Strukturen zu beschäftigen und damit, woher sie finanzielle und/oder organisatorische Unterstützung erhalten. Es wäre in einer solchen Situation dann notwendig, die Öffentlichkeit über diese Erkenntnisse zu informieren, auch um deutlich zu machen, wer da marschiert. Dass Herr Maaßen stattdessen in seinem Gespräch mit der Boulevardpresse die Vorkommnisse in Chemnitz relativiert und vor gezielten Falschinformationen gewarnt hat, gewürzt mit einer sehr groben allgemeinen Medienschelte, das halte ich der Situation für vollkommen unangemessen, und ich halte es - in Bezug auf die Medienschelte - auf für eine grobe Überschreitung seiner Kompetenzen. Herr Maaßen ist (noch) der Präsident einer für unsere Sicherheit wichtigen Bundesbehörde, er ist (noch) kein politischer Beamter.

In der Sondersitzung des Innenausschusses am vergangenen Mittwoch hat Herr Maaßen nochmals deutlich gemacht, dass er die Grenzen seiner Kompetenzen nicht kennt. Er hat sein Interview mit der BILD inhaltlich und strategisch verteidigt und es lediglich bedauert, missverstanden worden zu sein in Bezug auf die Frage der Echtheit dieses Videos. Er würde dieses Interview jederzeit wieder so führen, sagte er. Auf die Frage, warum der gelernte Jurist das Tötungsdelikt, zu dem die Ermittlungen andauern und das die Generalstaatsanwaltschaft als Totschlag einschätzt, in dem Interview als Mord bezeichnet hat, sagte er: "In dieser Stimmungslage, in der uns die Bevölkerung vorwirft, Straftaten von Flüchtlingen zu bagatellisieren, habe ich diesen Begriff bewusst gewählt, um zu deeskalieren." Ich bin über diese Aussage geradezu fassungslos, denn natürlich das Gegenteil ist natürlich der Fall. Einen Totschlag als Mord zu bezeichnen, gießt Öl in das Feuer der öffentlichen Wahrnehmung, anstatt zu deeskalieren.

Gerade die Einlassungen Herrn Maaßens in der Sondersitzung des Innenausschusses haben mir und meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion nochmals deutlich gemacht, dass Herr Maaßen für eine Führungsaufgabe wie die Leitung des Bundesamts für Verfassungsschutz nicht geeignet ist. Wir haben kein Vertrauen mehr in Herrn Maaßen und haben deshalb seine Ablösung als Präsident des BfV verlangt. Diese soll ja nun auch erfolgen.

Dass der Minister Seehofer Maaßen nach diesen Vorgängen nicht aus der Verantwortung und auch aus der Schusslinie nimmt, sondern ihn als beamteten Staatssekretär im Innenministerium mit der Inneren Sicherheit und der Cybersicherheit betrauen will und lediglich die Aufsicht auf den Verfassungsschutz aus diesem Zuständigkeitsbereich herauslösen, ist ein ungeheurer Vorgang. Es zeigt mir, dass Herr Seehofer jedes Maß dafür verloren hat, was dem Koalitionspartner und der Öffentlichkeit zugemutet und vermittelt werden kann.

Nach meiner Wahrnehmung, und darin bestätigen mich zahllose Gespräche mit Bürgerinnen und Bürgern, beschädigt diese Vorgehensweise von Herrn Seehofer in hohem Maße die Glaubwürdigkeit der Politik. Wer in der freien Wirtschaft einen so groben Fehler begeht, der verliert seinen Job oder muss doch zumindest mit deutlichen Konsequenzen rechnen.

Herr Maaßen soll für seine Verfehlungen und Kompetenzüberschreitungen nicht etwa versetzt und Aufgaben betraut werden, wo er nicht so viel Schaden anrichten kann. Nach dem Willen von Minister Seehofer soll Herr Maaßen für sein Vorgehen mit einem Sprung über zwei Gehaltsstufen belohnt und mit wichtigen Führungsaufgaben und wesentlich mehr Einfluss betraut werden. Ich würde Herrn Maaßens Berufung in diese Verantwortung als ein Desaster für unsere Sicherheit bewerten.

Dazu kommt, dass Seehofer den für den Bereich Bauen und Wohnen zuständigen Staatssekretär Gunther Adler abberufen will, um Maaßen Platz zu machen. Das ist eine unglaubliche Missachtung der Leistung eines verdienten und allseits fachlich anerkannten Beamten - und weil Gunther Adler ein Staatssekretär mit SPD-Parteibuch ist, ist es obendrein ein Schlag ins Gesicht der SPD.

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