Innenminister Horst Seehofer verletzt alle Regeln der Zusammenarbeit in einer Regierung. Er legt einen Masterplan vor, den niemand außerhalb der CSU konkret kennt. Mit der Diskussion über nationale Alleingänge in der Asylpolitik nimmt er die Fraktionsgemeinschaft der Union, die Regierung und die öffentliche Diskussion in Geiselhaft. Wer soll denn da an der Grenze zurückgewiesen werden? Und was sind die anderen 63 Punkte des Plans? Wir wissen es nicht, und von der CSU gibt es täglich einander widersprechende Antworten dazu.
Die SPD und die Unionsparteien haben im Koalitionsvertrag ein umfangreiches Maßnahmenpaket zu den Themenbereichen Migration und Integration vereinbart. Wenn Seehofer der Innenminister dieser Koalition sein will, dann tut er gut daran, diese Maßnahmen abzuarbeiten. Dazu gehören die Beschleunigung und Verbesserung der Asylverfahren, die Erarbeitung eines Einwanderungsgesetzes, aber auch ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt zur Bewältigung der Integration, damit geflüchtete Menschen und andere Migranten unsere Sprache erlernen, unsere Werteordnung kennen- und schätzen lernen und eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten.
Währenddessen verlieren Markus Söder und die CSU in ihrer Panik vor der Bayernwahl jede Scham vor rechtsextremen Parolen. Sie reden vom Weltsozialamt, von Asyltouristen, die hier Asylgehalt bekommen – schlimmer redet die NPD auch nicht daher – und gefährden damit die Einigkeit mit der CDU, die Regierung, den sozialen Frieden in Deutschland und Europa.
Seehofer formuliert nicht so scharf, das überlässt er anderen. Er redet stattdessen von der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats, die ich unbedingt befürworte, weil sie Grundlage unserer Staatsverständnisses und unseres Vertrauens in diesen Staat ist.
Mit seinem Alleingang in Sachen Asylrecht droht derselbe Innenminister aber damit, das EU-Recht zu brechen, das wir im Konsens vereinbart haben – einfach weil er es will. Der Rechtsstaat hat für Herrn Seehofer und seine CSU ganz offensichtlich keinerlei Bedeutung.
Für mich kommt ein solcher europarechtswidriger Alleingang auf keinen Fall in Frage, aber nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus humanitären Gründen.
Deutschland anerkennt seine humanitäre Verpflichtung, Menschen auf der Flucht zu helfen, und hat sie als Teil der UN-Flüchtlingskonvention ratifiziert. Für die CSU ist auch das offenbar nicht mehr von Belang. Mit ihrer Rhetorik und der angekündigten Politik tritt die CSU unsere humanistische Werteordnung mit Füßen, auf deren christliche Wurzeln sie sich so gerne beruft. Dass der amerikanische Präsident, der Kinder von Migranten in Käfige sperren lässt, der CSU beipflichtet, sollte den christsozialen Kräften in der CSU zu denken geben.
Mit jedem weiteren Tag, an dem dieser offenbar grundlegende Dissens in den Unionsparteien weiter schwelt und auf offener Bühne ausgetragen wird, schwindet für mich das Vertrauen, dass die CSU weiterhin Teil der Regierungskoalition sein will, ebenso wie es für mich immer deutlicher wird: Ich kann mit diesem Mann nicht mehr arbeiten.
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