Am 26.10.2017 wurde der Kolumnen-Beitrag "Es bleibt alles anders" von Saskia Esken in der Neckar-Chronik Horb veröffentlicht:
„Es bleibt alles anders“
So lautet ein Songtitel von Herbert Grönemeyer, und selten traf er so gut zu wie am Dienstag dieser Woche, wo sich der 19. Deutsche Bundestag konstituiert hat. Fast 40% der jetzt 709 Abgeordneten sind neu im Bundestag. Weil drei der jetzt sechs Fraktionen keine Geschlechterquote kennen, gibt es wesentlich weniger Frauen unter den Abgeordneten. Fortschritt sieht anders aus...
Der Ton im Wahlkampf war rau und die Kontroversen wurden in der ersten Sitzung spürbar. Die AfD, die nicht nur im Wahlkampf immer wieder mit Grenzverletzungen auf sich aufmerksam machte, musste feststellen, dass sie mit dieser Vorgehensweise im Parlament keine Stimmung machen und keine Mehrheiten erreichen kann. Ihr Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten, der dem Islam die Religionsfreiheit aberkennen möchte, fand keine Mehrheit im hohen Hause.
Die SPD ist Opposition! Sie wird der geschäftsführenden und wahrscheinlich zukünftigen Bundeskanzlerin Angela Merkel die im Wahlkampf praktizierte Taktik der Vernebelung von Positionen nicht durchgehen lassen. Direkt zu Beginn der Legislaturperiode forderten wir eine Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages, um die regelmäßige direkte Befragung der Kanzlerin im Plenum zu gewährleisten. Es hat mich empört, dass dieser Antrag auch mit den Stimmen der Grünen abgelehnt wurde, die Ähnliches in der vergangenen Legislatur selbst gefordert hatten. Kaum schnuppern sie Regierungsluft, sind alle guten Haltungen zu mehr Debattenkultur und Demokratie vergessen.
Noch zeigen die Sondierungen und ersten Gespräche keine Richtung auf, in die eine mögliche Jamaika-Koalition marschieren könnte. Woher der von der FDP beschworene Politikwechsel kommen soll, ist ebenso wenig zu erkennen wie eine Umsetzung der begrüßenswerten Umwelt- und Naturschutzziele von Bündnis90/Die Grünen. Sollte die Union der Versuchung mancher Landesverbände erliegen, der AfD durch die Besetzung ultrakonservativer Positionen den Rang abzulaufen, dann wird es eng für die Partner und dunkel im Land.
Ebenso beunruhigend sind erste Signale, beispielsweise den hart erkämpften Mindestlohn in Frage zu stellen. Wenn die soziale Kälte wieder zunimmt wie in Zeiten der letzten schwarz-gelben Koalition, dann ist das nicht nur ungerecht, sondern es befördert Politikverdrossenheit und das Abdriften gesellschaftlicher Gruppen an den Rand des politischen Spektrums.
Die SPD möchte erst einmal zuhören und sich auch nach der Wahl mit den Sorgen der Menschen beschäftigen. Wir starten in der Woche vom 12. – 16. November mit einer Dialog-Aktion und wollen wissen: Mit welchen Themen, welchen Fragen, welchen Problemlagen soll die Politik sich beschäftigen? Wir freuen uns auf Ihr direktes Feedback. An der Tür, auf der Straße, am Telefon, im Netz: Sprechen Sie uns an!
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