In dieser Woche stehen im Plenum des Deutschen Bundestages zwei wichtige Beratungen an, die sich mit dem Lebensende beschäftigen. Sterben und Tod, mit diesen Themen ist nicht nur ein großes Tabu verbunden, sondern viele widerstreitende Emotionen. Für mich gehören die beiden Beratungen nah zusammen, denn haben sie doch eines zur gemeinsamen Grundlage: Wir wollen, dass allen Menschen ein menschenwürdiges Sterben möglich ist.
Am heutigen Donnerstag haben wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland abschließend beraten und ohne Gegenstimmen beschlossen. Dieses Gesetz will die bestehende Versorgung insbesondere auch in ländlichen Regionen wesentlich verbessern. Dabei sollen nicht allein stationäre Einrichtungen wie Pflegeheime, Hospize oder Krankenhäuser in den Fokus genommen werden. Auch die ambulante palliativmedizinische Betreuung soll verbessert werden. Konkret sollen Krankenkassen bei stationären Hospizen für Erwachsene 95 Prozent der Kosten übernehmen. Bisher sind es nur 90 Prozent. Bei Kinderhospizen zahlt die gesetzliche Krankenkasse bereits heute 95 Prozent. Bei der ambulanten Hospizarbeit sollen neben Personal- nun auch Sachkosten berücksichtigt werden. Ärztinnen und Ärzten werden künftig eine größere Anzahl palliativmedizinischer Leistungen vergütet. Zudem sollen sie stärker in die ambulante Palliativversorgung eingebunden werden, um die Übergänge von allgemeiner und spezialisierter ambulanter Palliativversorgung zu verbessern. Mit dem Gesetz erhalten gesetzlich Versicherte zudem zukünftig einen Anspruch auf eine umfassende palliativmedizinische Beratung durch ihre Krankenkasse. Sie sollen gut informiert darüber entscheiden können, wie sie in ihrer letzten Lebensphase versorgt werden wollen.
Ich freue mich, dass diese Gesetzesänderungen jetzt beschlossen wurden, denn Schwerkranke und Sterbende haben ein Recht auf eine bessere Unterstützung am Lebensende – mit Schmerzlinderung und bestmöglicher Versorgung.
Am morgigen Freitag stehen dann fünf Gruppenanträge zur Namentlichen Abstimmung, die sich mit der Sterbebegleitung in Deutschland beschäftigen.
Nach einer langen und gründlichen, sehr wertvollen Phase der Beratung und der Meinungsbildung, die ganz überwiegend durch sehr ernsthafte und gute Debatten geprägt war, bin ich zu der Entscheidung gekommen, mich für keinen der vier eingebrachten Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Sterbebegleitung auszusprechen. Angesichts der monatelangen Diskussionen im Parlament und vor allem in der Öffentlichkeit scheint die Entscheidung, alles beim Alten belassen zu wollen, möglicherweise überraschend. Deshalb möchte ich meinen Entschluss begründen:
Die aktuelle Rechtslagemacht es Menschen möglich, aus einem für sie nicht mehr erträglichen Leben zu gehen, und sie können bei dieser – selbst ausgeführten –Entscheidung Unterstützung erfragen. Dies kann zum Beispiel durch ÄrztInnen geschehen, die sich mit den medizinischen Belangen auskennen, oder durch besonders nahestehende Angehörige und Freunde. Eine solche Begleitung beim Sterben durch Suizid ist straffrei. Tötung auf Verlangen, also beispielsweise das Injizieren eines tödlichen Medikaments durch einen Arzt, ist dagegen verboten und eine Legalisierung wurde auch nicht debattiert.
Einer der vorliegenden Anträge (Sensburg) sieht ein grundsätzliches Verbot der Sterbebegleitung vor. Die drei anderen Anträge (Hintze/Reimann, Künast/Sitte und Brand/Griese) wollen die Sterbebegleitung nicht völlig verbieten, aber auch nicht liberalisieren. Es werden jedoch sowohl für die Sterbenden, vor allem aber für begleitende Personen neue Hürden und Beschränkungen aufgestellt, die die regelmäßige, geschäftsmäßige Sterbebegleitung verhindern wollen, die eine Gewinnerzielungsabsicht hat. Gerade das ist aber nach Einschätzung vieler Juristen sowohl inhaltlich als auch rechtlich problematisch: Handeln Ärzte nicht immer auch in „Gewinnerzielungsabsicht“? Ab wann handelt jemand „geschäftsmäßig“? Bekommen Palliativmediziner künftig regelmäßig Besuch von Polizei oder Staatsanwaltschaft? Gerichte werden letztlich klären müssen, wie einzelne Begrifflichkeiten zu verstehen und anzuwenden sind. Zudem sieht der wissenschaftliche Dienst des Bundestages nur einen der vier Anträge zur Neuregelung als verfassungskonform an, und zwar den, der jegliche Sterbehilfe verbietet.
Dazu kommt, dass den ÄrztInnen durch berufsständische Regeln die finale Unterstützung ihrer schwerstkranken Patienten mit Suizidwunsch in manchen Bundesländern untersagt ist – in den 17 Ärztekammerbezirken gibt es hierzu derzeit ganz unterschiedliche Regelungen. Die Gesetzgebungskompetenz müsste hier mit den Bundesländern geklärt werden, denn Standesrecht ist Sache der Länder.
Wichtig ist es mir, dass wir bei der Debatte eines nicht aus den Augen verlieren: Eine wirklich gute Hospiz- und Palliativversorgung, die das Leiden durch gute Schmerzmittel wirksam lindern kann, vermag dem Sterben ein anderes Gesicht zu geben, so dass der Suizid möglicherweise vermieden werden kann. Der beschlossene Gesetzentwurf zur Verbesserung dieser Versorgung ist deshalb der richtige Weg. Ich hielte es aber für falsch, jetzt ein Gesetz zur Sterbehilfe zu beschließen und zu schaffen, das rechtlich unvorhersehbare Folgen mit sich bringt.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben